Die semitischen Sprachen: Ein Familienporträt

Welche Sprachen gehören zur Sprachfamilie der semitischen Sprachen?
Mann in einer Moschee zum Thema Semitische Sprachen

Semitische Sprachen sind eine Gruppe verwandter Sprachen, die in Nord- und Ostafrika und auf der arabischen Halbinsel gesprochen werden. Sie sind eine der größten Sprachgruppen, die von der größeren Familie der afroasiatischen Sprachen abstammen. Schauen wir uns an, welche modernen Sprachen zu dieser Familie gehören, von wie vielen Menschen sie gesprochen werden und wie ähnlich die einzelnen Sprachen untereinander sind.

Was sind semitische Sprachen?

Die semitische Sprachfamilie besteht aus einem Dutzend unterschiedlicher Sprachen und moderner Dialekte. Zu den wichtigsten semitischen Sprachen gehören Arabisch, Amharisch (Äthiopien), Tigrinya (Äthiopien und Eritrea), Hebräisch, Tigre (Sudan), Aramäisch (Libanon, Syrien, Israel, Irak und Iran) und Maltesisch.

Arabisch ist die mit Abstand am weitesten verbreitete semitische Sprache mit rund 300 Millionen Muttersprachler:innen in großen Teilen von Nordafrika und auf der gesamten arabischen Halbinsel. Obwohl die Unterschiede zwischen den Dialekten (die sich in Grammatik, Aussprache und Wortschatz unterscheiden) in der arabischsprachigen Welt riesig sind, werden alle 30 Varietäten als Teil einer Sprache betrachtet. Der Grund: Die meisten gebildeten Muttersprachler:innen können mühelos zwischen ihrer regionalen Varietät und dem modernen Standardarabisch wechseln und sich im Gespräch problemlos gegenseitig verstehen.

Obwohl das Hebräisch weniger Sprechende hat, ist es wahrscheinlich die zweitbekannteste semitische Sprache. Hebräisch sprechen etwa 5 Millionen Menschen als Erstsprache, weitere 4 Millionen sprechen es als Zweitsprache. Außerdem ist Hebräisch eine der heute noch gesprochenen Sprachen, die aus einer toten Sprache wiedergeboren wurden

Wie viele Menschen sprechen eine semitische Sprache?

Insgesamt gibt es aktuell rund 380 Millionen Menschen, die eine semitische Sprache als Erstsprache sprechen, der Großteil davon fällt auf Arabisch. Mit rund 65 Millionen erstsprachlichen Personen ist Amharisch, die offizielle Landessprache in Äthiopien, die am zweithäufigsten gesprochene semitische Sprache. Maltesisch ist mit rund 490.000 Muttersprachler:innen eine der am wenigsten gesprochenen semitischen Sprachen, aber die einzige, die mit dem lateinischen Alphabet geschrieben wird, und die einzige, die eine Amtssprache der Europäischen Union ist.

Neben Nord- und Ostafrika und der arabischen Halbinsel gibt es auch in Europa, Nordamerika und Ozeanien bedeutende Gruppen von Sprechenden dieser Sprachfamilie. Allein in der EU leben rund 6 Millionen Arabisch-Sprechende, in den US 200.000 Hebräisch-Sprechende und in Australien 20.000 Amharisch-Sprechende.

Warum heißt es „semitische Sprachen“?

Ende des 18. Jahrhunderts prägte der deutsche Sprachwissenschaftler Johann Gottfried Eichhorn den Begriff „semitisch“. Er entnahm ihn Bibeltexten – im Buch Genesis ist Shem einer der drei Söhne Noahs. Die griechische Version des Namens lautet Sēm. Im Jahr 1795 veröffentlichte Eichhorn eine Schrift mit dem Titel Semitische Sprachen, die den Begriff in die moderne Wissenschaft trug, wo er sich bis heute gehalten hat.

Wie ähnlich sind sich die Sprachen aus dieser Familie?

Genau wie bei anderen Sprachen, die zu einer Familie gehören, denkt man schnell, dass man wie durch ein Wunder alle versteht, wenn man nur eine von ihnen beherrscht. Auch wenn es Überschneidungen und viele gemeinsame Wörter gibt – schließlich haben sie alle denselben Ursprung – ist es dann doch etwas komplizierter.

Ein großer Unterschied zwischen vielen semitischen Sprachen sind die verschiedenen Schriftsysteme: Arabisch benutzt das arabische Alphabet, das von rechts nach links geschrieben wird, Amharisch, Tigrinya und Tigre werden alle mit dem Ge’ez-Silbenschrift-System geschrieben (ein Schriftsystem, bei dem ein Symbol für eine Silbe steht und das von links nach rechts geschrieben wird), Hebräisch mit dem hebräischen Alphabet – ebenfalls von rechts nach links geschrieben – und Maltesisch mit dem lateinischen Alphabet, das wiederum von links nach rechts geschrieben wird.

In der gesprochenen Form lässt sich der gemeinsame Ursprung dieser Sprachen dagegen viel leichter erkennen. Nehmen wir zum Beispiel das Wort „Frieden“: Auf Arabisch ist es salām, auf Aramäisch šlām-āʼ, auf Hebräisch šālôm und auf Maltesisch sliem. „Haus“ ist ein anderes gutes Beispiel, weil es auf Arabisch bayt, auf Aramäisch bayt-āʼ, auf Hebräisch báyiṯ und auf Maltesisch bejt ist.

Können sich Sprechende dieser Sprachen verstehen?

Also sind die Sprachen aus dieser Familie eventuell doch untereinander zu verstehen? Kann zum Beispiel jemand, der Arabisch spricht, problemlos mit jemandem, der Hebräisch spricht, kommunizieren?

Die Kurzantwort lautet nein. Es gibt zwar viele sehr ähnliche Wörter in den beiden Sprachen, aber eben auch sehr viele komplett verschiedene. Das liegt daran, dass Wörter in der einen Sprache eine sehr enge und in der anderen eine viel breitere Bedeutung haben können, oder weil eine Sprache Fremdwörter aus ganz anderen Sprachen entlehnt hat. Im Arabischen beispielsweise gibt es viele Lehnwörter aus dem Französischen, dem Türkischen und dem Farsi.

Wenn wir Arabisch und Hebräisch mit europäischen Sprachen vergleichen, wären sie einander ungefähr so ähnlich wie Englisch und Deutsch: Es gibt ganz klar Wörter, die ähnlich klingen, aber es gibt auch viele Unterschiede. Du kannst es dir folgendermaßen vorstellen: Wenn du deutschsprachige Menschen (die kein Englisch können) auf Englisch ansprichst, dann wird es höchstwahrscheinlich schwierig, ein Gespräch zu führen.

Beginne deine Sprachlernreise.
Lerne jetzt mit Babbel
Teilen:
Sam Wood

Sam ist ein veganer Reiseblogger, freiberuflicher Autor, Social-Media-Manager, ehemaliger Englischlehrer, Linguist und gelegentlicher Gastdozent aus London, der jetzt in Berlin lebt. Ihn fasziniert die Phonetik der vielen Englischvarietäten aus der ganzen Welt, sowohl aus pädagogischer als auch aus historischer Sicht. Außerdem spricht er Deutsch, Spanisch und Französisch sowie ein paar Brocken Schwedisch, Mandarin, Arabisch und Japanisch. In seiner Freizeit schaut er gerne Star Trek, macht Yoga, backt leckere vegane Kuchen und tritt als Drag Queen auf.

Sam ist ein veganer Reiseblogger, freiberuflicher Autor, Social-Media-Manager, ehemaliger Englischlehrer, Linguist und gelegentlicher Gastdozent aus London, der jetzt in Berlin lebt. Ihn fasziniert die Phonetik der vielen Englischvarietäten aus der ganzen Welt, sowohl aus pädagogischer als auch aus historischer Sicht. Außerdem spricht er Deutsch, Spanisch und Französisch sowie ein paar Brocken Schwedisch, Mandarin, Arabisch und Japanisch. In seiner Freizeit schaut er gerne Star Trek, macht Yoga, backt leckere vegane Kuchen und tritt als Drag Queen auf.