Die Maya-Sprachen: Ein Familienporträt

Du glaubst, die Maya-Zivilisation ist längst vergangen? Dann solltest du diesen Artikel lesen … Denn die Familie der Maya-Sprachen (oder mayanischen Sprachen) ist auch heute noch quicklebendig!
Maya Ruine zum Thema Maya Sprachen

Von allen indigenen Sprachen Nordamerikas hat die Maya-Sprachfamilie echt Durchhaltevermögen. Trotz einer jahrhundertealter Geschichte voller Umbrüche und Kolonialisierung werden viele Sprachen aus dieser Familie bis heute aktiv gesprochen. Leider wurden die meisten Maya-Sprachen durch die spanische Kolonialherrschaft verdrängt – ein Grund mehr, die noch verbliebenen zu bewahren. Denn es sind ganz einzigartige und wunderschöne Sprachen. Begleite uns auf eine Reise in diese Sprachwelt!

Was sind die Maya-Sprachen?

Die Maya-Sprachen gehören zu der vermutlich am besten dokumentierten und erforschten Gruppe von Sprachen im mesoamerikanischen Kulturraum. In ihrer Gesamtheit umfasst diese Sprachfamilie 32 Sprachen, von denen mindestens zwei als ausgestorben gelten. Weitere zehn von ihnen werden heute von weniger als 30.000 Muttersprachler:innen gesprochen. Aber zahlreiche Maya-Sprachen sind auch heute noch sehr lebendig und sind für sehr viele Menschen in der Bevölkerung deren Erstsprache.

Man findet sie zum Großteil in Guatemala und Mexiko, es gibt aber auch Sprechende in Belize, Honduras und neuerdings auch in El Salvador. Der Grund ist, dass viele Sprechende aus benachbarten Ländern nach El Salvador migriert sind. Die Familie der Maya-Sprachen gliedert sich in sechs Zweige: Huastecan, Quichean (nein, diese Sprache hat nichts mit der knusprigen Teigspezialität zu tun …), Yucatecan, Qanjobalan, Mamean und Ch’olan-Tzeltalan.

Wie viele Menschen sprechen eine Maya-Sprache?

Weltweit gesehen, werden die Maya-Sprachen nur von wenigen Menschen gesprochen, vor allem im Vergleich zu ihrer Vorherrschaft vor der europäischen Kolonialisierung. Nachdem Hundertausende Maya ermordet worden waren und ihre Sprachen zugunsten der spanischen Sprache unterdrückt wurden, gingen die Maya-Sprachen stark zurück. Zum Glück aber sind diese Sprachen in einigen mittelamerikanischen Ländern wie Guatemala noch immer üblich.

Insgesamt sprechen etwa sieben Millionen Menschen eine Maya-Sprache. Davon leben rund vier Millionen in Guatemala – hier spricht fast die Hälfte der Bevölkerung (einschließlich Nicht-Muttersprachler:innen) eine Maya-Sprache. In Mexiko leben weitere 2,5 Millionen Maya-Sprechende. In Belize, Honduras und El Salvador sind die Zahlen deutlich kleiner.

Die am weitesten verbreitete Sprache aus der Familie ist K’iche’ (Quiché); diese Quichean-Sprache wird vor allem im zentralen Hochland von Guatemala von etwa 2,3 Millionen Menschen gesprochen. Davon sind 300.000 Menschen monolingual bzw. einsprachig – sie sprechen also keine andere Sprache. Die am zweithäufigsten gesprochene Sprache ist Yucatec, eine Yucatecan-Sprache, die vor allem in den mexikanischen Staaten Yucatán, Quintana Roo und Campeche, aber auch in kleineren Regionen im Norden von Belize beheimatet ist. Yucatec wird von ca. 800.000 Menschen gesprochen.

Als nächstes kommt Q’eqchi’ (Kekchí). Diese Quichean-Sprache findet man im östlichen Guatemala und im südlichen Belize mit etwa 700.000 Sprechenden. Und schließlich haben wir Mam, eine Mamean-Sprache im Südwesten von Guatemala, die von rund 500.000 Menschen gesprochen wird.

Natürlich beschränkt sich die Zahl der Menschen, die eine Maya-Sprache sprechen, nicht auf diese Regionen. Maya-Sprachen werden auch von kleinen Communitys in der Diaspora – insbesondere in den USA – gesprochen. Mam beispielsweise findet man in Oakland, Kalifornien und Washington, D.C.

Sind die Maya-Sprachen mit anderen Sprachfamilien verwandt?

Bis heute ist nicht ganz klar, ob die Maya-Sprachen Teil einer größeren Sprachfamilie sind, zum Beispiel den amerindischen Sprachen. Was wir aber wissen ist, dass sie Gemeinsamkeiten mit einer Reihe von anderen Sprachfamilien in der Region aufweisen, darunter Uto-Aztecan, Totonacan, Oto-Manguean und Mix-Zoque. Das scheint zwar auf den ersten Blick ein guter Beweis für einen möglichen Zusammenhang zu sein. Aber die Wahrheit ist: Wir können uns nicht sicher sein.

Es ist nämlich ziemlich wahrscheinlich, dass sich diese Gemeinsamkeiten schlicht durch einen engen Kontakt entwickelt haben und deshalb eher einen kulturellen als einen linguistischen Ursprung haben. Dieses Phänomen ähnlicher aber möglicherweise nicht verwandter Sprachen in unmittelbarer geografischer Nähe hat sogar einen Namen: Sprachbund.

Die gemeinsamen Merkmale der Sprachen im mesoamerikanischen Sprachbund sind ziemlich technischer Natur. Sie haben zum Beispiel oft ein vigesimales Zahlensystem (das heißt, sie basieren auf Zwanzigerpotenzen und nicht auf Zehnerpotenzen wie im Dezimalsystem) und sie integrieren auch Körperteile in Verben – was ziemlich cool ist. Diese beiden Merkmale sind weltweit betrachtet sehr ungewöhnlich.

Wie ähnlich sind sich die Maya-Sprachen?

Eine Gemeinsamkeit der Maya-Sprachen ist ihr Schriftsystem. Sie verwenden alle das lateinische Alphabet, auch wenn das nicht immer so war. Diese Romanisierung ist ein direktes Ergebnis der Kolonialisierung. Ursprünglich war das Schriftsystem der Maya logografisch: Dabei steht ein Symbol für eine Idee, ähnlich wie im Chinesischen. Heutzutage ist das logografische System vor allem für Achäolog:innen und Historiker:innen spannend. Welche Form der Romanisierung die einzelnen Sprachen annehmen, hängt von ihrer einzigartigen Phonologie und dem Land ab, in dem sie gesprochen werden. Trotzdem ist jedes System ziemlich klar: Ein Buchstabe steht für einen eindeutigen Klang.

Was die Grammatik angeht, so ähneln sich die Maya-Sprachen durch ihr hohes Maß an Agglutination. Das bedeutet, dass sie oft ein einziges Wort (oder etwas, das wie ein einziges Wort aussieht) nutzen, um eine Bedeutung zu vermitteln, für die viele andere Sprachen ganze Sätze brauchen. Das haben die Maya-Sprachen mit den uralischen, tibetischen und dravidischen Sprachen gemeinsam.

Die Phonologie der Maya-Sprachen, also wie sie klingen, weist ebenfalls jede Menge Ähnlichkeiten auf. Glottallaute zum Beispiel, die durch einen explosiven Luftstoß aus dem Mund statt aus der Lunge erzeugt werden, sind relativ häufig. Dazu gehören unter anderem die Laute /p’/, /t’/ und /k’/, die es im Yucatec und Mam gibt. Uvulare sind ebenfalls ziemlich verbreitet: Die Laute /q/ und /χ/ finden sich im K’iche’, Q’eqchi’ und Mam. 

Und auch die Vokallaute ähneln sich innerhalb der Maya-Sprachen ziemlich. Die meisten Sprachen in dieser Familie haben das (weltweit) sehr gebräuchliche 5-Vokal-System, das aus /i/, /e/, /a/, /o/ und /u/ besteht. Das System nutzen zum Beispiel auch Japanisch, Spanisch und Zulu. In einigen (aber nicht allen) Maya-Sprachen werden diese Vokale unterschiedlich lang ausgesprochen. K’iche’ hat außerdem noch das /ə/, einen weiteren sehr üblichen Vokallaut.

Aber lass dich von diesen Gemeinsamkeiten nicht in die Irre führen: Die Maya-Sprachen sind sehr unterschiedlich, und wenn du eine Sprache verstehst, heißt das noch lange nicht, dass du auch die anderen verstehst. Aber auch das ist etwas Schönes. Denn das macht diese beständige und kämpferische Sprachfamilie noch ein bisschen vielfältiger.

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Sam Wood

Sam ist ein veganer Reiseblogger, freiberuflicher Autor, Social-Media-Manager, ehemaliger Englischlehrer, Linguist und gelegentlicher Gastdozent aus London, der jetzt in Berlin lebt. Ihn fasziniert die Phonetik der vielen Englischvarietäten aus der ganzen Welt, sowohl aus pädagogischer als auch aus historischer Sicht. Außerdem spricht er Deutsch, Spanisch und Französisch sowie ein paar Brocken Schwedisch, Mandarin, Arabisch und Japanisch. In seiner Freizeit schaut er gerne Star Trek, macht Yoga, backt leckere vegane Kuchen und tritt als Drag Queen auf.

Sam ist ein veganer Reiseblogger, freiberuflicher Autor, Social-Media-Manager, ehemaliger Englischlehrer, Linguist und gelegentlicher Gastdozent aus London, der jetzt in Berlin lebt. Ihn fasziniert die Phonetik der vielen Englischvarietäten aus der ganzen Welt, sowohl aus pädagogischer als auch aus historischer Sicht. Außerdem spricht er Deutsch, Spanisch und Französisch sowie ein paar Brocken Schwedisch, Mandarin, Arabisch und Japanisch. In seiner Freizeit schaut er gerne Star Trek, macht Yoga, backt leckere vegane Kuchen und tritt als Drag Queen auf.