Ein Crashkurs in italienischen Gesten

Luca Vullo, Experte für nonverbale Kommunikation, teilt seine sieben liebsten italienischen Gesten mit uns. Kannst du erraten, was sie bedeuten? Die Antwort ist nicht immer offensichtlich.

Eine Eigenschaft, an der das Italienische am leichtesten zu erkennen ist und durch die sich die Sprache von vielen anderen abhebt, ist die Verwendung besonders vieler Gesten. Jeder erkennt dieses charakteristische Merkmal der italienischen Kultur, obwohl unsere Verwendung von italienischen Gesten typischerweise auf ein Stereotyp reduziert wird.

Stell dir also vor, dass sich jemand dazu entschließen würde, dieses Thema tiefgehend zu analysieren und die Welt zu bereisen, um zu erklären, dass Gesten eigentlich einen komplexen linguistischen Code ausmachen – und einen zentralen Teil der italienischen Psyche.

Nachdem ich eine Dokumentation mit dem Titel Die Stimme des Körpers gedreht hatte, die das Phänomen italienischer Gesten analysiert und didaktisch präsentiert, begab ich mich auf eine lehrreiche Reise, auf der ich an vielen Universitäten auf der ganzen Welt italienische Gesten unterrichtete. Diese Reise über Kontinente erlaubte mir, zu verstehen, wie wir Italiener von anderen Kulturen wahrgenommen werden, was auch zu einer umfassenden Selbstanalyse unserer Kommunikationsfähigkeiten führte. Wie zu erwarten, gab es während meiner Reise auch einen echten Kulturaustausch: Ich machte anderen wertvolle Informationen über Italienisch zugänglich und lernte im Gegenzug, wie Körpersprache in anderen Kulturen benutzt wird. Dieser Wissensaustausch gab mir ein tieferes Verständnis von verschiedenen Bräuchen und Traditionen.

Das größte Missverständnis bei italienischen Gesten ist, dass sie wie bei Scharade ein Wort illustrieren. Die meisten sind dagegen eigentlich ein abstrakter Code, wie du im Folgenden sehen wirst.

Vattene!

 

Die Schönheit italienischer Gesten liegt unter anderem darin, dass unzählig viele Bedeutungen durch die kreative Benutzung der Hände übermittelt werden können. Nehmen wir zum Beispiel diese außergewöhnliche Geste: Die Kante deiner rechten Hand wiederholt mit der Handfläche deiner linken Hand zu schlagen heißt zum Beispiel: „Geh weg, hau ab!“ Dieselbe Geste kann auch „etwas abbrechen“ oder „die Seiten wechseln“ heißen.

Perfetto!

 

Manchmal kann hinter einer Geste wahre Poesie liegen – wie im Fall der Geste, die perfetto („perfekt“) kommuniziert. Der Daumen und Zeigefinger formen einen Ring, während die anderen Finger abgespreizt sind. Die Hand wird dann langsam und tänzelnd über die Brust bewegt, begleitet von einem Gesichtsausdruck großer Zufriedenheit.

Non c’è niente

 

Manche Gesten sind Ausdruck präziser Konzepte und können verwendet werden, um effektiv Sprache zu ersetzen. Sieh dir zum Beispiel die Geste für non c’è niente („es gibt nichts“) an, bei der man eine „Waffe“ formt und das Handgelenk rotiert, zusammen mit einem bedauernden und dramatischen Gesichtsausdruck.

Blablabla

 

Durch Gesten lassen sich auch Ironie und Satire auf fast schon theatralische Weise übermitteln. Bei der Geste für „zu viel Gequatsche“ oder „blablabla“ funktioniert die Hand fast schon als Puppe, die mit sich selbst plaudert. Diese Geste wird, wie im Deutschen auch, verwendet, wenn jemand zu viel redet und dabei vielleicht etwas sagt, was nicht ganz der Wahrheit entspricht.

Paura?

 

Gesten können auch dazu verwendet werden, Gemütszustände auszudrücken. Wenn du zum Beispiel jemanden fragen willst, ob er Angst hat, reicht es aus, deine Handfläche nach oben zu drehen und alle fünf Finger gleichzeitig zu schließen, als ob du eine Artischocke mit der Hand formen würdest.

Rubare

 

Die Geste, die „stehlen“ versinnbildlicht, ist für mein Empfinden sehr kreativ. Die vier Finger (abgesehen vom Daumen) werden harmonisch nacheinander durch die Luft bewegt, als würden sie ein unsichtbares Klavier spielen, während die Person zwinkert, als würde sie etwas tun, das sie nicht tun sollte.

Ti faccio un &%$? cosí!

 

Wie du dir vorstellen kannst, sind einige lustige Anekdoten aus meiner Reise um die Welt entsprungen. Hier ist eine davon. Die folgende Geste war zu vulgär, um sie in das Video aufzunehmen, aber hier wollen wir sie trotzdem ansprechen.

Während einem meiner Workshops fragte mich ein Student: „Wenn ich also in Napoli eine Pizza bestellen möchte, ohne etwas zu sagen, kann ich diese Geste machen?“ – und mit seinen Händen formte er eine Geste, von der er glaubte, sie repräsentiere eine Pizza. In Italien würde diese unschuldig gemeinte Handbewegung als „Ti faccio un culo così“ (grob übersetzt: „Dich mach ich fertig!/Ich werde dir in den Arsch versohlen!“) verstanden werden. Ich erklärte ihm also, dass das in einem großen Missverständnis resultieren würde und dass er eine gewalttätige Reaktion erwarten könne. Ich erinnere mich noch an seinen Gesichtsausdruck – er war sichtlich bestürzt, um es milde auszudrücken. Und zu Recht: Diese vulgäre und bedrohliche Geste könnte ihn sicher in Schwierigkeiten bringen.

Diese Geste kann auch in einem anderen Kontext verwendet werden: „Mi sono fatto un culo così“ – „Ich habe mir den Arsch abgerackert“. Dabei müsstest du allerdings einen anderen Gesichtsausdruck aufsetzen. In jedem Fall würde, glaube ich, kein Italiener an eine Pizza denken, wenn er diese Geste sieht!

Dieser Artikel ist natürlich nur ein kleiner Einblick in die außergewöhnliche Welt der nonverbalen Kommunikation. Ich würde dir empfehlen, dein Wissen darüber, was Italienischsein bedeutet, in allen Facetten der Kommunikation zu vertiefen – die Gesten eingeschlossen. Es ist wirklich interessant zu sehen, wie ungläubig Menschen anderer Kulturen auf die Erklärungen unserer Gesten reagieren. Tatsächlich sprechen wir von einer außergewöhnlichen Sprache, die ihre Wurzeln in den Ursprüngen der Menschheit hat.

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