Die afroasiatischen Sprachen: Ein Familienporträt

Unglaublich, aber wahr: Fast 500 Millionen Menschen sprechen eine afroasiatische Sprache als Erstsprache. Weißt du, welche dazugehören?
Al-Nasir Muhammad Mosque in Kairo zum Thema Afroasiatische Sprachen

Die Familie, zu der afroasiatische Sprachen gehören, ist ganz schön riesig. Heutzutage werden sie in Nord- und Ostafrika und auf der arabischen Halbinsel gesprochen. Gemessen an der Zahl der Sprechenden ist diese Sprachfamilie eine der größten auf dem afrikanischen Kontinent. Und was noch beeindruckender ist: Sie ist die viertgrößte Sprachfamilie auf der ganzen Welt!

Doch welche genau gehören dazu? Wie viele Menschen sprechen sie? Und welche dieser Sprachen könnte für dich interessant sein? In diesem Beitrag erfährst du die Antworten auf alle diese Fragen – und noch ein bisschen mehr.

Afroasiatische Sprachen: Welche gehören dazu?

Die afroasiatische Sprachfamilie hat sechs Zweige: Berberisch (oder Berbisch), Tschadisch, Kuschitisch, Ägyptisch, Omotisch und Semitisch. Bis auf den ägyptischen Zweig werden alle diese Sprachen auch heute noch gesprochen. Die ägyptischen afroasiatischen Sprachen sind im 17. oder 18. Jahrhundert ausgestorben (bzw. wurden einfach nicht mehr im Alltag gesprochen). Der moderne Nachfahre des alten Ägyptisch allerdings – das Koptische – wird auch heute noch in der Liturgie der koptisch-orthodoxen und der koptisch-katholischen Kirche verwendet, meistens in einem zeremoniellen Zusammenhang. So, wie Latein oft bei christlichen Bräuchen oder Sanskrit im Hinduismus und Buddhismus zum Einsatz kommt. Weil Ägyptisch nicht mehr als lebender Zweig der afroasiatischen Sprachfamilie gilt, konzentrieren wir uns auf die fünf anderen Zweige.

Die heute am weitesten verbreitete afroasiatische Sprache ist Arabisch (eine semitische Sprache), aber es gibt noch viele andere wichtige Sprachen in dieser Familie. Dazu gehören die Shilha-Sprache (eine Berbersprache in Marokko), Hausa (aus dem tschadischen Zweig; wird in Nigeria und Niger gesprochen) und Somali (eine kuschitische Sprache, die es in einer ganzen Reihe ostafrikanischer Länder gibt). Dann sind da noch Mao (eine omotische Sprache aus Äthiopien) und Hebräisch, das ebenfalls zum semitischen Sprachzweig gehört. Insgesamt findest du rund um den Globus mindestens 40 unterschiedliche afroasiatische Sprachen. Ganz schön viel, oder? Je nach Klassifizierungsmethode gibt es sogar noch deutlich mehr.

Wie viele Menschen sprechen eine afroasiatische Sprache?

Heute sprechen fast 500 Millionen Menschen eine afroasiatische Sprache als Erstsprache. Ganz oben auf der Liste steht das Arabische mit 300 Millionen Sprechenden. Auf den nächsten Plätzen liegen Hausa (Tschadisch) mit 40 Millionen Sprechenden, Oromo (Kuschitisch) mit 34 Millionen, Amharisch (Semitisch) mit 25 Millionen und Somali (Kuschitisch) mit 17 Millionen. Alle Berbersprachen zusammen haben eine Gemeinschaft von rund 15 Millionen Sprecher:innen. Das Schlusslicht bildet der omotische Zweig mit knapp über 6 Millionen. 

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Aber das sind nur die Personen, die diese Sprachen als Erstsprache sprechen. Zählt man diejenigen mit, die die Sprache später im Leben – also als Zweit- oder Drittsprache – lernen, sind die Zahlen deutlich höher. Das gilt zum Beispiel für Hausa: Schätzungsweise 25 Millionen Menschen sprechen Hausa als Zweitsprache, vor allem in Westafrika. In Nigeria und Niger wird Hausa oft als Lingua franca und als Geschäfts- und Mediensprache genutzt. Aber auch in vielen anderen Regionen sprechen Menschen Hausa. Dazu gehören Benin, Burkina Faso, Kamerun, die Zentralafrikanische Republik, der Tschad, der Kongo, Eritrea, Ghana, Sudan und Togo.

Wie ähnlich sind sich afroasiatische Sprachen?

Afroasiatische Sprachen sind sehr unterschiedlich. Die Schriftsysteme variieren beispielsweise extrem. Am weitesten verbreitet ist das arabische Alphabet, obwohl es nicht nur für die arabische Sprache verwendet wird. Andere Schriftsysteme sind das Tifinagh- oder Tifinare-Alphabet (Tuareg als Teil des Berber-Zweigs) und die äthiopische Schrift (auch Ge’ez genannt), die für die semitischen Sprachen Amharisch, Tigrinya und Tigre genutzt wird. Das lateinische Alphabet, das in einer ganzen Reihe von semitischen, Berber- und kuschitischen Sprachen verwendet wird, und das hebräische Alphabet findet man aber auch häufig.

Wenn wir etwas tiefer graben und über die Schriftsprache hinausgehen, finden wir einige Ähnlichkeiten: So nutzen viele afroasiatische Sprachen Wortstämme, die aus zwei oder drei gleichen Buchstaben bestehen. Das gilt vor allem für Verben. Zum Beispiel das Verb „schreiben“: Auf Tuareg bedeutet das Wort nektab „wir schrieben“. Auf Arabisch bedeutet kataba „er schrieb“. Und auf Hebräisch bedeutet koteb „Schreiber“. Erkennst du die Ähnlichkeiten? Alle diese Wörter benutzen die Buchstaben K, T und B. Ein anderes Beispiel (diesmal mit einem Wortstamm aus zwei Buchstaben) ist das Verb „sterben“: mutu auf Hausa, māt auf Hebräisch und Arabisch, ye-mmut auf Tuareg und mut auf Rendille verwenden im Wortstamm allesamt die gemeinsamen Buchstaben M und T.

Eine weitere wichtige Unterscheidung zwischen den afroasiatischen Sprachen ist der Klang. Tonale Sprachen nutzen die Tonhöhe oder den Tonverlauf, um ein Wort von einem anderen zu unterscheiden. Bei nicht-tonalen Sprachen können die Sprechenden Betonung oder Tonfall ändern, ohne dass sich die Bedeutung des Worts ändert. Mandarin ist zum Beispiel tonal, Deutsch ist nicht-tonal. In der afroasiatischen Familie sind die Zweige Berberisch, Semitisch und Ägyptisch nicht-tonal. Manche Sprachen aus dem tschadischen, dem kutschitischen und dem omotischen Zweig dagegen sind tonal.

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Die afroasiatische Sprachfamilie ist so riesig – kein Wunder also, dass sich die Sprachen so stark voneinander unterscheiden. Wir können sie zwar miteinander vergleichen, indem wir uns auf die Ähnlichkeiten konzentrieren. Unter dem Strich gibt es aber mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten …

Welche afroasiatische Sprache könnte für dich interessant sein?

Wenn du eine afroasiatische Sprache lernen möchtest, die du auch sehr wahrscheinlich im Alltag einsetzen kannst, solltest du Arabisch wählen. Falls du aber Herausforderungen liebst und gerne eine tonale Sprache lernen willst, die definitiv schwieriger zu beherrschen ist, sind Hausa und Somali gute Alternativen. Sehr viele Menschen in vielen verschiedenen Ländern sprechen diese beiden Sprachen. Außerdem nutzen beide das lateinische Alphabet – du brauchst also nicht auch noch ein neues Schriftsystem zu lernen. Aber am Ende gilt: Egal, welche Sprache du lernst, das Wichtigste ist, dass du Spaß dabei hast!

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Sam Wood

Sam ist ein veganer Reiseblogger, freiberuflicher Autor, Social-Media-Manager, ehemaliger Englischlehrer, Linguist und gelegentlicher Gastdozent aus London, der jetzt in Berlin lebt. Ihn fasziniert die Phonetik der vielen Englischvarietäten aus der ganzen Welt, sowohl aus pädagogischer als auch aus historischer Sicht. Außerdem spricht er Deutsch, Spanisch und Französisch sowie ein paar Brocken Schwedisch, Mandarin, Arabisch und Japanisch. In seiner Freizeit schaut er gerne Star Trek, macht Yoga, backt leckere vegane Kuchen und tritt als Drag Queen auf.

Sam ist ein veganer Reiseblogger, freiberuflicher Autor, Social-Media-Manager, ehemaliger Englischlehrer, Linguist und gelegentlicher Gastdozent aus London, der jetzt in Berlin lebt. Ihn fasziniert die Phonetik der vielen Englischvarietäten aus der ganzen Welt, sowohl aus pädagogischer als auch aus historischer Sicht. Außerdem spricht er Deutsch, Spanisch und Französisch sowie ein paar Brocken Schwedisch, Mandarin, Arabisch und Japanisch. In seiner Freizeit schaut er gerne Star Trek, macht Yoga, backt leckere vegane Kuchen und tritt als Drag Queen auf.